Aktuelles
‹ zurück zur Aktuelles-Liste28.-29. November 2019, Tagung, Biographieforschung zur DDR und Ostdeutschland nach 1990
Internationales Begegnungszentrum der Universität Erfurt, Michaelisstraße 38
Den Pionieren der sogenannten oral history ist es zu verdanken, dass die erzählten Lebensgeschichten vermeintlich namenloser Zeitzeugen erheblich an Bedeutung in der Zeitgeschichte gewonnen haben. Dies ging einher mit einer Übernahme von theoretischen wie auch methodischen Annahmen, die in den qualitativ orientierten Sozial- und Kulturwissenschaften entwickelt worden sind und dort inzwischen eigene Forschungszweige generiert haben. Der auch als Alltagsgeschichte bezeichnete Zweig der Geschichtswissenschaft ist in Auseinandersetzung mit der etablierten Geschichtsschreibung des Historismus, aber auch in Kritik an der Struktur- und Sozialgeschichte entstanden. Die Vertreter dieser Forschungsrichtung, die sich mit all jenen beschäftigt, die im landläufigen Geschichtsverständnis und in der Geschichtsschreibung von Haupt- und Staatsaktionen keine Erwähnung als Individuen finden, haben inzwischen auch zur DDR-Geschichte bemerkenswerte Arbeiten vorgelegt.
An diesen Forschungs- und Kenntnisstand schließen die aktuellen Projekte des Forschungsverbundes »Diktaturerfahrung und Transformation. Biographische Verarbeitungen und gesellschaftliche Repräsentationen in Ostdeutschland seit den 1970er Jahren« an. Mit diesen stark an der Biographieforschung orientierten Projekten besteht mithin die Chance, sich der Lebensgeschichte der vielen bisher Namenlosen zuzuwenden und jene Facetten des DDR-Alltags der Ostdeutschen einer zeithistorischen Betrachtung zu unterziehen, die in mancher vorgetragenen Lebenserinnerung und öffentlichen Auseinandersetzung als Gegenbild zur politischen Herrschaft vorgestellt werden. So können mit methodischer Versiertheit und professioneller Distanz zur Person Interviews und Gespräche mit Zeitzeugen geführt werden, in denen über jene historischen Tatsachen Aussagen getroffen werden, die in den Akten der Staatspartei SED, der DDR-Behörden oder auch der Überwachungs- und Repressionsorgane nicht verzeichnet wurden und dennoch für diejenigen, die sie erlebten, von Belang waren bzw. sind.
Die Tagung stellt Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen vor, die als exzellente Belege dafür angesehen werden, dass es sich lohnt, die Zeitgenossen als erfahrene, wünschende, schöpferische, widerständige, leidende und auch verstrickte und schuldige Subjekte der Geschichte darzustellen. Einer Geschichte die weder 1989 endete und auch zu diesem Zeitpunkt nicht erst begann.
Programm:
Donnerstag, 28. November 2019
18:00 – 20:30 Uhr Prof. Dr. Christiane Kuller und Dr. Patrice Poutrus, Universität Erfurt
Begrüßung
Dr. Anette Leo, Berlin und ehem. Studierende:
»Mein Land verschwand so schnell…« Jenaer Studierende befragten vor zehn Jahren Thüringer Bürger*innen nach ihren Erinnerungen. Wie haben sich diese Erinnerungen seitdem gewandelt?
Freitag, 29. November
09:15 – 10:30 Uhr Dr. Franka Maubach, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Volkseigene Krisenerfahrung. Zur Sekundäranalyse eines Interviewprojekts in der späten DDR
11:00 – 12:30 Uhr Prof. Dr. Anika Keinz, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder
Lebenszeit, Erinnerung, Geschichten: Sozialanthropologische Perspektiven aus der Biographieforschung
13:30 – 14:45 Uhr Dr. Sabine Moller, Humboldt-Universität zu Berlin
Erschütterungen im »ostdeutschen« Familiengedächtnis nach 1989/90 – revisited.
15:15 – 16:30 Uhr Dr. Bernd Martens, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung Berlin
»Erinnertes Leben in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland. Analysen von Interviews in Drei-Generationen-Familien«.
16:45 – 17:30 Uhr Zusammenfassung
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Es wird um Anmeldung bis zum 22. November 2019 gebeten unter: dut.info@uni-erfurt.de
Veröffentlicht am: 07. November 2019, 11:00 Uhr