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Biographische Verarbeitungen und gesellschaftliche Repräsentationen in Ostdeutschland seit den 1970er Jahren

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Bericht, Christian Werkmeister, deutsch-deutscher Schüler*innenaustausch in der EJBW

Vor wenigen Wochen fand unter Beteiligung unseres Verbunds in der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar ein Schüler*innenaustausch statt. Der betreuende Mitarbeiter der Stiftung Ettersberg, Dr. Christian Werkmeister, verfasste dazu einen kurzen Bericht:


Nach mehrfacher pandemiebedingter Verschiebung konnte der Deutsch-Deutsche Schüleraustausch endlich stattfinden: Insgesamt 42 Jugendliche und Ihre Lehrkräfte aus den Partnerstädten Jena (Thüringen) und Erlangen (Bayern) kamen zu jeweils einer Woche in Nürnberg (Mai) und Weimar (Juni/ Juli) zusammen, um gemeinsam über die geteilte, gemeinsame und tradierte deutsche Geschichte zu lernen und zu diskutieren.

Im Mittelpunkt stand zunächst eine individuelle Standortbestimmung der Jungen und Mädchen. Über die eigene Familiengeschichte wurde die wechselhafte deutsche Geschichte biographisch erfahren. Es zeigte sich dabei schnell, dass es die ost- und westdeutsche Lebensgeschichte kaum gegeben hat. Vielmehr offenbarte sich eine seit der deutschen Wiedervereinigung grenzüberschreitende Dynamik, die von den Teilnehmern bis dahin kaum wahrgenommen worden war.
Anders verhielt es sich jedoch mit der Bewertung der deutschen Geschichte seit der Wiedervereinigung, bei der vor allem seitens der Jenaer Gruppe die Transformationserfahrung der Elterngeneration prägend war – anders als bei den fränkischen Altersgenossen. Dieser Punkt wurde unter anderem bei Passanteninterviews in Weimar und Nürnberg deutlich, die einen grundverschiedenen Erfahrungshorizont in Ost und West aufzeigten.

Thematisch befassten sich die gemischten Arbeitsgruppen mit Fragen wie dem kleinen Grenzverkehr von West nach Ost, Westpaketen, dem Alltag im geteilten Deutschland und der Blockkonfrontation im Kalten Krieg. Auch die Erfurter Andreasstraße, eine ehemalige Untersuchungshaftanstalt der Ministeriums für Staatssicherheit, war Teil des Programms. Um die deutsche Geschichte greifbar zu machen, kamen fünf unterschiedliche Zeitzeugen aus Ost und West (mit und ohne Binnenmigrationsgeschichte) zu Wort.

Ein weiterer Aspekt betraf die mittlerweile 35 Jahre existierende Städtepartnerschaft zwischen Erlangen und Jena und vor welchen Herausforderungen diese Regionen stehen. Hierzu wurde auch mit politischen Entscheidungsträgern gesprochen, die großes Interesse an den Fragen der Jugendlichen zeigten.
Nicht zuletzt in diesem Punkt wurde deutlich, dass die jungen Menschen in Ost und West, in Franken und Thüringen ähnliche, wenn nicht sogar die gleichen Fragen umtreibt. Dieser Befund ließ sich auch jenseits der inhaltlichen Programmpunkte erkennen. Neben der intensiven Befassung mit historisch-politischen Themen erlaubte diese Kooperation der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar mit der Stiftung Ettersberg, dass die deutsch-deutsche Geschichte für den Teilnehmerkreis erlebbar wurde und wechselseitige Neugier zwischen Ost und West begünstigte.

Als repräsentative Ergebnis lässt sich festhalten, was mehrere Teilnehmer in der Schlussrunde beinahe erstaunt vermeldeten: »Die Jenaer (bzw. Erlanger) sind gar nicht so anders, als wir…«

Veröffentlicht am: 01. August 2022, 11:00 Uhr