Die vergessene DDR-Literatur. Der ›Zirkel schreibender Arbeiter‹ als Schreibraum und Erinnerungsgemeinschaft
Das Teilprojekt untersucht den Umgang mit und die Vermittlung von DDR-Geschichte am Beispiel des ›Zirkels schreibender Arbeiter‹ des VEB Carl Zeiss Jena. Die ›Zirkel schreibender Arbeiter‹ gehörten zu den massenkulturellen Initiativen des SED-Staates, die heute weitgehend vergessen sind, aber eine nicht zu unterschätzende und bislang wenig erforschte Breitenwirkung hatten. Und das gilt nicht nur für die Hochphase um 1960. Noch in den 1980er Jahren existierten landesweit schätzungsweise 200 bis 250 Zirkel und einige überdauerten selbst die Wende 1989/90. In Jena kam es nach dem Ende der DDR sogar zu einer Neugründung. Daraus ergibt sich die Frage, welche Funktion und Bedeutung diese Laienschreibbewegung hatte. Für die SED waren die ›Zirkel schreibender Arbeiter‹ ein politisch-erzieherisches Instrument; für viele Mitglieder waren sie aber wohl eher ein Forum zur Erprobung eigener Ausdrucksmöglichkeiten.
Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt drei Zielsetzungen. Erstens geht es um eine fallstudienartige Erforschung der literarischen Praktiken des ›Zirkels schreibender Arbeiter‹ des VEB Carl Zeiss Jena, die Aufschlüsse über das Literaturverständnis der Akteure, über das Verhältnis von Lenkung und Autonomie in diesen Schreibräumen und die Veränderungen dieses Verhältnisses in der späten DDR ermöglicht. Zweitens soll durch Zeitzeugenbefragungen die retrospektive Einschätzung dieser Zirkel durch die an ihnen Beteiligten erforscht werden, woraus sich Rückschlüsse auf Kontinuität und Wandel literarisch-kultureller Urteilsbildung nach 1989 ziehen lassen. Drittens sollen Modelle des Transfers der Forschungsergebnisse und der Erinnerungen entwickelt werden.