Der große Umbruch. Zur Erfahrungsgeschichte der Transformation in Ostdeutschland (1970-2010)
Ziel der Studie ist es, Erfahrungen in der späten DDR und frühen Transformation, die in der Regel getrennt erinnert und repräsentiert werden, im Zusammenhang zu verstehen. Dabei ermöglicht die zäsurübergreifende Anlage, Kontinuitäten in den Blick zu bekommen, die möglicherweise längerfristig wirksam waren und zur Aufklärung spezifischer Einstellungsweisen in verschiedenen Milieus der ostdeutschen Gesellschaft beitragen.
Entgegen der gegenwärtigen Tendenz zur »ostalgischen« Erinnerung werden vor allem Krisenwahrnehmungen im Spätsozialismus in den Blick genommen, die sich – je nach Milieu, Generation oder politischer Prägung – zwar unterschiedlich artikulierten, aber tendenziell alle Ebenen der Gesellschaft erfassten. Dienten diese Wahrnehmungsmuster, wie die Kritik an »Denen-da-oben«, auch in der Transformationskrise nach 1990 zur Einordnung von Krisenerfahrungen? Und wie ist zu erklären, dass zeitgenössische Erfahrung und spätere Erinnerung immer weiter auseinanderklafften?
Ausgangspunkt ist der Erwartungshorizont der seit 1971 proklamierten »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik«, das Versprechen eines »Konsumsozialismus«, das seit 1976 mit dem Palast der Republik als gebauter Utopie für jeden DDR-Bürger zugänglich, aber in den folgenden Jahren sukzessive enttäuscht wurde. Die in den achtziger Jahren immer akuter werdende Frustration dokumentieren ganz unterschiedliche Quellengattungen: Millionen Eingaben zeugen von der »Versorgungskrise«, in Samizdat-Zeitschriften kritisierten Bürgerrechtler das politische System, alte Mythen vom »antifaschistischen Widerstandskampf« und dem Fortschritt im Sozialismus bröckelten. Aber wie hängen punktuelle Versorgungskritik und allgemeine Systemkritik zusammen? Und wurde diese Art der Gesellschaftskritik nach dem Mauerfall aktualisiert? Ausgehend von Fragen wie diesen soll ein Panorama des großen Umbruchs entfaltet werden, das Erfahrungen vor und nach 1989/90 systematisch in Beziehung zueinander setzt.
Aktivitäten
Dezember 2021, Dr. Franka Maubach, Vortrag und Weiterbildung »Gesellschaftskrise und Krisenerfahrung. Die lange Transformation in Ostdeutschland (1970-2010)« im Rahmen der Lehrkräftefortbildung »Gesellschaften in der Krise« an der Akademie für Politische Bildung Tutzing
Dezember 2021, Dr. Franka Maubach, Kommentar beim Doktorandenkolloquium am ZZF Potsdam zum Projekt von Luisa Seydel »Arbeit, Familie, Vaterland. Alltags- und Lebenswelten der radikalen Rechten (ca. 1960-1990)«
November 2021, Dr. Franka Maubach, Kommentar für den Workshop »Historische Biographik und kritische Prosopographie als Instrumente in der Geschichtswissenschaft« des BMBF-Forschungsverbundes »Umweltpolitik, Bergbau und Rekultivierung im deutsch-deutschen Vergleich«.
November 2021, Dr. Franka Maubach, Vortrag im Historischen Kolloquium der TU Braunschweig, »Wo Lichtenhagen liegt. Zeithistorische Annäherungen an die rassistische Gewalt in der Umbruchsgesellschaft«
16. & 17. Dezember 2020, Online-Seminar, »Quellen des Unmuts«